
Ob weltweit oder hier bei uns: Die Ungleichheit ist gross und wird immer noch grösser. Wo liegt die Ursache? Ganz einfach: It’s the property! Dabei sind die Auswirkungen von Eigentum und ganz besonders von Grundeigentum kein Naturgesetz. Wir können etwas tun dagegen. Wir müssen nur wollen.
Ich weiss: Das Weltgeschehen und das viele Elend, dass dieses produziert – das sind komplizierte Dinge, mit ganz vielen Kräften und Faktoren, die alle irgendwie, irgendwo eine Wirkung haben.
Gleichzeitig weiss ich aber auch: Indem man auf jede Ungerechtigkeit und jeden Skandal mit der Feststellung entgegnet, die Sache sei halt kompliziert, macht man sich zur Komplizin der Ungerechtigkeit und des Skandals.
Denn die vordergründig händeringende Feststellung der Kompliziertheit ist in Tat und Wahrheit vor allem eines: der Versuch, vor sich selbst und der Welt zu rechtfertigen, weshalb man immer noch die Hände im Schoss hat und nichts tut.
Drum wage ich mich hier einmal auf den umgekehrten Weg: auf den Weg der Einfachheit. Und behaupte: Vielleicht lässt sich das Grundproblem ja ziemlich simpel benennen.
Vor über dreissig Jahren – 1992 – gewann Bill Clinton in den USA die Präsidentschaftswahlen mit einem legendären Slogan: «It’s the economy, stupid!»
Man kann die Aussage noch etwas präzisieren: «It’s the property, stupid!»
Das Eigentum und in ganz besonderem Ausmass das Grundeigentum: Sie sind das Generalproblem der Welt. Hier müssen wir ansetzen.
So einfach ist es.
Heiliges Eigentum
Nun kann ich die Etikettierungen, die mich für diese Aussage erwarten, grad schon vorwegnehmen: Hardcore-Sozialistin, Sowjet-Nostalgikerin, Ostblock-Romantikerin…
Mal halblang.
Die immense Ungleichheit, die in den letzten Jahrzehnten weiter zugenommen hat: Sie entstand, weil die Vermögenden ihre Vermögen vermehrt haben. Und zwar massiv. Je mehr Eigentum jemand hat, umso leichter geht es, dieses zu vergrössern. Wer hat, hat immer mehr. Die übrigen – die grosse Mehrheit – bleiben, wo sie sind: bei null. Deshalb ging die Schere in den letzten Jahrzehnten immer weiter auseinander.
Der Ökonom Thomas Piketty spricht von der «Sakralisierung des Eigentums».
Ist diese faktische Feststellung nostalgisch-romantisch-kommunistisch?
Ausserdem: Wären unsere Welt und unser Klima auch dann im heutigen desolaten Zustand, wenn zuvor nicht über viele Jahrzehnte die Vermögenden (Staaten wie Private) zur Maximierung des eigenen Nutzens – also zur Erweiterung des eigenen Eigentums – den Planeten und seine Ressourcen schamlos ausgebeutet hätten? Und gleichzeitig ohne Rücksicht auf Schäden ihr grossspuriges Leben gelebt hätten?
Ist diese Frage nostalgisch-romantisch-kommunistisch?
Und grad noch so eine Frage:
Wäre es für Menschen mit normalem Einkommen auch dann praktisch hoffnungslos, in Zürich eine bezahlbare Wohnung zu finden, wenn nicht das Grundeigentum, der Besitz von eigenem Boden, sozusagen die reinste Form von Eigentum wäre? Man könnte auch sagen: die Kulmination des Gewinnmaximierungsstrebens.
Zürich gibt hier Anschauungsunterricht. Gier, radikales Profitdenken, Spekulation: Auf dem Zürcher Immobilienmarkt trifft man so ziemlich alle Eigenschaften jener fratzenhaften Marktwirtschaft an, bei der es einzig darum geht, aus viel Rendite noch mehr Rendite zu machen.
Das Resultat: Auf dem freien Wohnungsmarkt haben die Mietpreise ein absurdes Niveau erklommen.
Wie geht Besserung?
Zu allen Zeiten und überall auf der Welt hat Ungleichheit immer direkt und entscheidend mit Bodenbesitz zu tun. Wer über Boden verfügt, hat eine viel bessere Ausgangslage. Derweil stehen die Landlosen seit je auf existenziell brüchigem Boden.
Nostalgisch? Romantisch? Kommunistisch?
Oder ist, wer hier Besserung erzielen möchte, nicht viel eher sehr pragmatisch und ganz unideologisch unterwegs – nämlich einfach nur sehr nahe bei den Menschen und ihren Sorgen und Bedürfnissen?
Wie geht Besserung?
Vorweg dies: Es gibt, gerade was das Wohnen und den Wohnungsmarkt betrifft, eine Vielzahl von Massnahmen und Bemühungen, die gut gemeint sind und zum Teil auch durchaus etwas bringen. Und doch bekämpfen sie letztlich doch nur die Symptome. Eine nachhaltige Besserung gibt es nur, wenn wir an der Wurzel ansetzen.
Eben: It’s the property.
Was heisst das konkret?
Im NZZ Folio erschien vor zwei Jahren ein – inzwischen preisgekrönter – Artikel, der sich umfassend mit der Geschichte und den Auswirkungen des Grundeigentums befasst. Man kann dort auch nachlesen, welche Ideen bereits praktiziert werden.
So dürfen in Schottland Landbesitzer nicht frei über ihren Boden verfügen. Wollen sie diesen verkaufen, hat die lokale Gemeinschaft ein Vorkaufsrecht und wird mit Krediten aus öffentlichen Mitteln unterstützt.
Diese Variante ist auch bei uns ein Thema. Die Initiative der Zürcher SP «Mehr bezahlbare Wohnungen im Kanton Zürich» will genau dies: ein kommunales Vorkaufsrecht. Die Gemeinden könnten sich von der Idee inspirieren lassen und bekämen so ein wirksames Instrument in die Hände.
Eine andere Variante praktiziert Skandinavien. Dort gilt das «Jedermannsrecht». Das heisst: Auch wer Boden besitzt, darf diesen nicht ausschliesslich für sich nutzen. Alle haben das Recht, diesen zu betreten. Sie müssen einzige etwas Distanz zu den Wohnhäusern halten.
Das Jedermannsrecht ändert zwar die wirtschaftlichen Verhältnisse nicht, macht aber immerhin deutlich, dass Grundbesitzende kein umfassendes, quasi-absolutes Recht über ihren Grund und Boden haben sollen.
Leistung statt Privilegien
Ich bin nicht gegen Privateigentum. Und ich bin auch nicht gegen privates Grundeigentum – so lange es selber oder im nahen Umfeld direkt genutzt wird. Grundeigentum aber, das der einzig der grenzenlosen Renditesteigerung dient, greift den sozialen Frieden an.
Ich mag den fairen Wettkampf, und ich mag den Leistungswillen. Ich kann auch der sozialen Marktwirtschaft viel abgewinnen. Wer aber die Privilegien des oft ererbten Eigentums mit Leistung verwechselt, verrät exakt das Herzstück dieser sozialen Marktwirtschaft – das Leistungsprinzip. Vorwärts kommt dann nämlich nicht, wer leistet, sondern wer besitzt.
Deshalb bin ich entschieden dafür, dass wir gegen die Ungleichheit ankämpfen und mehr Gemeinland – Wohn- und Gesellschaftsallmenden – sichern. Damit nicht ein paar wenige dank ihrer Privilegien die Welt regieren.
Foto: In Zürich eine bezahlbare Wohnung zu finden, ist praktisch hoffnungslos. (Bild: PD)
Danke. Eine wichtige Frage/Aussage. Und das das ganze nichts mit Sozialismus, Kommunismus und anderen assoziierten Begriffen zu tun hat, zeigt ein Blick z.B. nach Ulm (D). Die Debatte in der Schweiz wird hart, aber sie ist für viele wenn nicht die meisten (auch mit Grundbesitz) wichtig und nicht unbedingt zum Nachteil.
Das ist Planwirtschaft pur
Darum Frau Fehr sind sie eine Gefahr für die Demokratie und für das Privateigentum
So eine Sozialistin darf nicht mehr gewählt werden.
Nach anfänglicher Abwehrhaltung muss ich Jacqueline Fehr gegenüber am Schluss der Zeilen einräumen, dass ihre Ueberlegungen mit nachvollziehbar einleuchtende Fakten überzeugen. Entsprechende Ausarbeitung bestimmt sinnvoll. Beste Grüsse von jpr (mit angegliedertem Doppel-EFH in Schinznach-Bad/AG)
Alibaba und die 40 Räuber
Bei Ideologie spielen Fakten keine Rolle. Wird die Ungleichheit weltweit immer grösser? Das Gegenteil ist der Fall. Nach den Zahlen der Weltbank haben relativ feie Märkte allein seit 1990 über einer Milliarde Menschen geholfen, der Armut zu entkommen: im Jahr 1990 mussten 37.1 % der Weltbevölkerung mit weniger als 1.90 US-$ pro Tag auskommen. Heute ist dieser Anteil auf unter 10% gefallen – inflationsbereinigt! 130‘000 Menschen pro Tag sind also der Armut entkommen. Wer diese Realitäten nicht sehen will, wärmt einfach alte sozialistische Kamellen auf.
It‘s socialism, stupid!
Die Wohnungsnot der Stadt Zürich als Beispiel anzuführen ist angesichts jahrzehntelanger links-grüner Stadtregierung bitzli peinlich.
Der neue Stadionbau würde u.a. viele Wohnungen bringen. Doch wer will mit der Uferschutz Initiative blockieren? Eben.
Eigentum per se ist kein Problem. Das wahre Problem liegt in der Anreicherung von Eigentum – auch Gier genannt.
Gier ist der Anfang allen Übels auf der Welt. Davon sind auch die Linken/Grünen nicht ausgenommen.