
Ich mag Wahlkämpfe. Da ergeben sich Kontakte mit Menschen quer durch die Gesellschaft und die Generationen. Zwei Mal durfte ich in den letzten Tagen an Berufsschulen auftreten. Die Diskussionen mit den jungen Menschen haben mich schwer beeindruckt. Wir nicht-mehr-ganz jungen Regierungsmitglieder sollten uns solche Kontakte dringend zur Gewohnheit machen. Und vor allem sollten wir uns davon zum Handeln inspirieren lassen.
Der zweite Teil der Podiumsdiskussion in der Berufsfachschule Uster begann damit, dass vier junge Menschen auf die Bühne stiegen und zu den Mikrofonen griffen. Nun übernahmen sie das Fragenstellen. Sie machten es grossartig. Und sie machten es anders als die Routiniers, die in der Regel dem journalistischen Biotop entstammen und aktuell landauf, landab Podien moderieren und dabei mehr oder weniger intelligente Fragen stellen.
Die Jung-Moderatorinnen und Moderatoren starteten mit einer Frage zum Umgang mit sozialen Medien. Mit hörbarer, aber durchaus freundlicher Verwunderung wollten sie von Kollege Stocker wissen, weshalb er als einziger aller (Wieder-)Kandidierenden auf keinem einzigen Social-Media-Kanal präsent sei.
Danach fragten die vier Schülerinnen und Schüler uns alle: «Was ist für Sie Glück?»
An mich erging schliesslich die Frage, ob es einen Zusammenhang gebe zwischen Jugendkriminalität und Leistungsdruck.
Was ist Glück und wie geht der Umgang mit Leistungsdruck? Ich finde es bemerkenswert, welche Fragen die Jugendlichen gestellt haben. Es ist gewiss kein Zufall, dass ihre Wahl auf diese Themen gefallen ist.
Viel Druck, grosse Belastung
Untersuchungen, die in letzter Zeit zum Befinden der Jugendlichen durchgeführt worden sind, kommen alle zum selben Schluss. Viele junge Menschen fühlen sich gestresst und unter erheblichem Druck. Eine grosse Zahl empfindet eine starke psychische Belastung.
Die Pandemie hat gemäss Fachleuten dieses Befinden verstärkt, doch das Gefühl einer hohen Leistungserwartung mit entsprechendem Stressempfinden bestand schon vor Corona.
Hinzu kommt, dass die Ausgangslage für junge Menschen sehr unterschiedlich ist – je nach ihrer Herkunft. Wer aus privilegierten Verhältnissen stammt, hat bessere Bildungs- und Karriereaussichten als jemand, der aus einer weniger privilegierten Umgebung kommt. Kein Wunder, zeigen Studien aus Deutschland, dass Jugendliche aus benachteiligten Familien viel weniger optimistisch in die Zukunft blicken als Jugendliche der oberen Schichten.
Das dürfte in der Schweiz, wo die soziale Mobilität ebenfalls bescheiden ist, nicht anders sein.
Schliesslich beschäftigt der Zustand der Umwelt die jungen Menschen stark. Die jüngste Shell-Studie aus Deutschland hat zum Erstaunen des Forscherteams ergeben, dass den Jugendlichen der Schutz der Umwelt wichtiger ist als ein hoher eigener Lebensstandard.
Mein Wunsch an alle jungen Menschen
Dass für junge Menschen die Fragen, was Glück ist und wie man mit Leistungsdruck umgeht, im Zentrum stehen: Das kann uns vor diesem Hintergrund nicht wirklich überraschen. Und muss uns Politikerinnen und Politiker Auftrag sein. In Wahlkampfzeiten sagen wir alle schnell und wohlfeil, wir würden junge Menschen und ihre Sorgen ernst nehmen. Kaum ist der Wahlkampf vorbei, sind die Prioritäten dann wieder anders.
Dabei ist es unsere zentrale Verantwortung, die Sorgen der Zukunftsgenerationen ernst zu nehmen – und vor allem: Diese Sorgen zum Anlass zu nehmen, um zu handeln.
Und drum nun auch mein grosser Wunsch an alle jungen Menschen: Schreibt mir, was euch besorgt und beschäftigt, was ihr von uns Politikerinnen und Politiker erhofft und erwartet. Gern könnt ihr den Kanal wählen, der euch am liebsten ist: die Kommentarfunktion dieses Blogs, ein Email oder eine Social-Media-Direktnachricht. Ich freue mich sehr über jede Botschaft.
Bild: Wo finde ich das Glück? Fragen sich viele Jugendliche. (Quelle: Pixabay)
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