Die Zürcher Religionsgemeinschaften sind eine wichtige gesellschaftliche Ressource: Sie leisten einen Beitrag zum Gemeinwohl im Kanton Zürich, tragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei und entlasten mit ihren Leistungen für alle Zürcherinnen und Zürcher die staatlichen Institutionen. Sie können aber auch polarisierend und ausgrenzend wirken und bergen das Potenzial zum Machtmissbrauch. Deshalb ist für den Staat ein klar geregeltes Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften wichtig.
Für den Staat haben die Religionsgemeinschaften eine besondere Bedeutung. Sie sind gleichermassen Chance wie Risiko. Wann immer jemand historisch gesehen den Staat in Frage gestellt hat – waren das die Religionsgemeinschaften. Beanspruchen sie für sich die Macht, das gesellschaftliche Leben zu regeln, stellen sie die staatliche Legitimation in Frage.
Gleichzeitig tragen sie viel zum Zusammenhalt in unserer Gesellschaft bei. Und ja: Sie erbringen Leistungen, die sonst staatliche Institutionen übernehmen müssten. Beispielsweise in der Seelsorge, der Altersarbeit oder in der Integration.
Für solche Leistungen zu Gunsten von uns allen erhalten die anerkannten Religionsgemeinschaften im Kanton Zürich finanzielle Beiträge in der Höhe von gesamthaft 50 Millionen Franken pro Jahr.
Religionsgemeinschaften erbringen Leistungen für die gesamte Gesellschaft
Es sind bereits mehrere Untersuchungen zu diesen Leistungen durchgeführt worden. Ergebnis: Die Kirchen leisten für die Gesellschaft mehr, als sie dafür Geld vom Staat erhalten.
Wie sieht’s aber aus, wenn wir auf den Wert der Religionsgemeinschaften, der nicht mit Geld bezifferbar ist, schauen? Was leisten sie für unser Gemeinwohl, für den sozialen Zusammenhalt, bezüglich Wertevermittlung?
Dazu gab es bisher in der Schweiz noch keine Untersuchungen. Im Kanton Zürich wollten wir diese Lücke füllen. Meine Direktion der Justiz und des Innern hat deshalb zusammen mit der Reformierten und der Katholischen Kirche im Kanton Zürich eine Studie in Auftrag gegeben, die genau dies untersuchen sollte.
Durchgeführt wurde sie von Forschenden aus den Bereichen Religionswissenschaft und Soziologie der Universität Zürich.
Die Ergebnisse zeigen:
- Die anerkannten Religionsgemeinschaften stellen der Gesellschaft soziales Kapital zur Verfügung und leisten so einen Beitrag zum Gemeinwohl für alle Zürcherinnen und Zürcher. Dieser Beitrag ist nicht auf die Religion und ihre kultischen Tätigkeiten beschränkt.
- Die anerkannten Religionsgemeinschaften stellen effiziente Netzwerke für den Aufbau persönlicher Beziehungen her, sind Ressourcen für ein sozial engagiertes und friedliches Zusammenleben in Zürich.
- Sie entlasten mit ihren Leistungen für alle Zürcherinnen und Zürcher die staatlichen Institutionen.
- Die Ergebnisse zeigen auch, dass Mitglieder religiöser Vereine und religiöse Menschen eine ausgeprägtere Traditionsorientierung ausweisen. Dies kann in vielfältigen Gesellschaften auch polarisierend und ausgrenzend wirken.
Die vorgestellte Studie ist ein Meilenstein. Sie liefert uns wichtige Ergebnisse zur Bedeutung der anerkannten Religionsgemeinschaften für die Gesellschaft in unserem Kanton.
Zusammenarbeit mit allen etablierten Religionsgemeinschaften
Wie immer, wenn man sich mit einer Frage vertieft auseinandersetzt, tauchen aber neue Fragen auf. Zum Beispiel die nach dem Nutzen der anderen etablierten, aber rechtlich nicht-anerkannten Religionsgemeinschaften, zum Beispiel der muslimischen oder der christlich-orthodoxen Gemeinschaften.
Mit ihrem Engagement in der Seelsorge, der Jugend- und Altersarbeit oder der Bildungsangebote leisten auch sie viel für unsere Gesellschaft. Diese Leistungen und den Nutzen zu ermitteln, ist eine Aufgabe, die wir uns vornehmen.
Meine Haltung ist klar: Wir machen Religionspolitik, weil ein klar geregeltes Verhältnis zu den Religionsgemeinschaften für den Staat wichtig ist. Und es braucht eine Religionspolitik, die die Zusammenarbeit mit allen etablierten Religionsgemeinschaften, ob anerkannt oder nicht, regelt.
Daran arbeiten wir.
Jose Antonio Gordillo Martorell schrieb
Die Forschungsarbeit, die geleistet wurde, scheint mir sehr wichtig zu sein. Sie ist in der Lage, wesentliche Schlüssel zum Verständnis der qualitativen Dimension der Präsenz und des Handelns der verschiedenen religiösen Gruppen zu liefern. Dies ist etwas, das manchmal schwer zu messen oder zu spezifizieren ist. Ich beglückwünsche die Verantwortlichen der Institutionen und die Forscher, die an der Studie teilgenommen haben, zu ihrer hervorragenden Arbeit. Es ist ihnen gelungen, eine solide Grundlage zu schaffen, auf der Entscheidungen getroffen und Strategien auf sehr fundierte Weise entwickelt werden können.