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Ein Testfall für den Föderalismus

19. Mai 2020 1 Kommentar

Die Schweiz und ihre Kantone scheinen uneinheitlich auf die Pandemie zu reagieren. Aber das ist eine Stärke des Föderalismus: Er macht drastische Massnahmen im Volk versteh- und verdaubar.

Mit den ersten Meldungen, dass man in Fernost das neue Virus glaubt in den Griff bekommen zu haben, erhält eine alte Frage neue Nahrung: Sind autoritäre Durchgriffsstaaten Demokratien überlegen, wenn es um die Bewältigung von Krisen geht? Manche ziehen schon jetzt Bilanz. So titelt das deutsche Magazin «Cicero»: «Föderalismus kann tödlich sein».

Tatsächlich? Ist unser System mit seiner dezentralen und föderalen Struktur ein Schönwetterkonstrukt, das in Krisenzeiten nur Kakofonie produziert? Ist ein Staat mit ausgeprägtem Subsidiaritätsgedanken und einer Verwaltung ohne Zentralinstanz, dafür mit einem Geflecht aus Fachstellen, Ämtern und Direktionen, blockiert, wenn rasch und wirkungsvoll gehandelt werden muss? 

Nein. Die letzten Tage und Wochen zeigen: Der Föderalismus ist ein wichtiger Bestandteil im behördlichen Krisenmanagement. Denn so ernst die Situation auch ist: Ein Krisenmodus, der funktionieren und Wirkung entfalten soll, muss auf unserer Kultur aufbauen. Wir wollen nicht beherrscht, sondern überzeugt werden. Genau das ist die Herausforderung für die Behörden: in einer freiheitlich geerdeten Kultur Akzeptanz schaffen für einschneidende Einschränkungen der persönlichen Freiheit. 

Verantwortungsbewusstsein, nicht Repression

Der Bundesrat hat in einer «ausserordentlichen Lage» zwar ausserordentliche Kompetenzen. Die Massnahmen, die er anordnet, wirken aber nur, wenn die einzelnen Bürgerinnen und Bürger bereit sind, ihre Verantwortung zu übernehmen. Und dazu braucht es bei ihnen die Einsicht, dass das Vorgehen der Behörden sinnvoll, angemessen und besser ist als die Alternativen.

Durchgriffstaaten erzwingen diese Akzeptanz mit drastischen Sanktionen für jene, die gegen die Anordnungen verstossen. Sie lassen den Polizeistaat wirken. Freiheitliche Staaten bauen dagegen nicht auf Repression, sondern auf das Verantwortungsbewusstsein ihrer Bürgerinnen und Bürger. Wer diesen Pfad in der Krise verlässt, richtet nachhaltigen Schaden an. 

Solchen müssen wir mit aller Kraft verhindern. Darum ist es so wichtig, dass die aktuellen Eingriffe auf Einsicht und Akzeptanz stossen. Die Krise ist nicht nur die Stunde des verlässlichen Staats. Sie ist auch die Stunde der Vernunftbürgerinnen und -bürger.

Genau hier zeigt der Föderalismus seine Überlegenheit gegenüber dem Zentralstaat. Das Verständnis für einschränkende Massnahmen ist grösser und kommt schneller, wenn diese nicht «out of the blue» verordnet werden. Idealerweise ist die Bevölkerung mental vorbereitet, bevor Einschränkungen erlassen werden. So kann die Einsicht in deren Notwendigkeit vorher wachsen. Die Massnahmen müssen Teil eines Prozesses sein, der für die Öffentlichkeit sicht- und nachvollziehbar ist.

Erfahrungen sammeln

Und das ist bisher gelungen. Die bundesrätlichen Entscheide stiessen stets auf breite Akzeptanz, obwohl sie mal für mal tiefer in unser Leben und unsere Gewohnheiten eingegriffen haben. Die Entscheide stiessen auf Akzeptanz, weil die Einschnitte nie «neu» waren. Sie waren immer aus anderen Kantonen schon bekannt. Wir hatten bereits Bilder von leeren Beizen im Kopf, als auch bei uns die Türen schlossen. Gleichzeitig konnten die Behörden so Erfahrungen sammeln und diese bei der landesweiten Anordnung nutzen.

Klar: Unser demokratisch-föderales, freiheitliches System handelt in der Krise nicht im Tempo autoritärer Staaten. Doch erstens ist fraglich, ob Tempo tatsächlich das entscheidende Kriterium ist. Schnelle, einsame Entscheide sind oft reine Papierentscheide. Gewachsene und durch Lernprozesse begleitete Entscheide hingegen schaffen neue Wirklichkeiten. Zweitens muss unsere Anstrengung zwar kurzfristig der Bekämpfung des Virus gelten. Langfristig geht es aber darum, dass unser Land, unser System und unsere politische Kultur diese Krise unbeschadet überstehen. 

Die Pandemie ist also ein Testfall für die Funktionsfähigkeit des Föderalismus in der Krise. Bis jetzt hat er sich gut geschlagen.

Dieser Text erschien erstmals im Tages-Anzeiger vom 23. März 2020

Bild: Föderale Vielfalt in konzentrierter Form – das Bundeshaus in der «Swiss Miniature» (Quelle Pixabay)

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Kategorie: Blog Tags: Corona, Föderalismus, Pandemie, Push

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Kommentare

  1. Alois Amrein schrieb

    30. August 2020 um 19:15

    Frau Fehr, Ihre Meinung in Ehren, aber ich erachte sie als falsch und kontraproduktiv. Der Schweizer Föderalismus erweist sich mit jedem Tag mehr als Hemmschuh und Chaos-Verursacher, jeder Kanton macht grad, was er für gut oder nicht gut findet. Ich wohne an der Kantonsgrenze Aargau / Zürich, hier keine Maskenpflicht, 4 km im Nachbardorf Maskenpflicht. Ich bin grad von einer langen Reise aus Osteuropa zurückgekehrt, in jedem Land Maskenpflicht in Läden, U-Bahn, Tram, Bus usw. Ukraine, Polen, Tschechien, Ungarn, Deutschland, Österreich. Und die wird weitgehend befolgt, muss befolgt werden, denn ohne Maske kein Zutritt. Nur die Schweiz hält sich für neunmalklug, obwohl die Fallzahlen seit Wochen unaufhörlich steigen, ähnlich wie Schweden. Aber gerade Schweden hat gezeigt, dass die Eigenverantwortung nicht funktioniert, es gibt zu viele, die sich einen Deut um Vorschriften kümmern, vor allem bei der jungen Generation, siehe Superspreader in Clubs, Discos usw. Solange der Bund das Sagen hatte, war die Pandemie in der Schweiz unter Kontrolle. Seit die Kantone wursteln, explodieren die Fallzahlen wieder. Der 2. Lockdown ist nicht weit weg.

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