Das mächtigste Amt der Welt wird in den nächsten vier Jahren von einem Mann bekleidet, der keinen Hehl aus seiner antifeministischen Haltung macht. Damit droht den Frauenrechten und überhaupt der modernen, selbstbestimmten und gleichberechtigten Gesellschaft ein Backlash. Umso mehr müssen wir kämpfen: für eine Welt, die ein guter Ort ist für Frauen. Dafür braucht es alle – Männer und Frauen von links bis rechts.
Vorbilder sind wichtig. Wir alle haben und hatten solche. Als Kinder waren es die Eltern, vielleicht die Geschwister oder einzelne Lehrpersonen. Hinzu kamen die Idole: Fussballerinnen, Bands, Skifahrer, Filmschauspielerinnen… Sie waren die Verkörperung unserer Sehnsüchte – Inbegriff dessen, was wir gerne sein würden oder werden möchten.
Das Wesen von Vorbildern ist, dass sie Orientierung stiften und mehr oder weniger direkt auf unser Handeln einwirken. Wenn mein grosses Vorbild eine Fussballerin ist, liegt es auf der Hand, dass ich selber viel Fussball spiele.
«Abluege» und nachmachen: So geht Lernen. So geht Entwicklung. So geht Fortschritt.
Leider geht auch Rückschritt so. Und darüber möchte ich heute schreiben.
«Your body, my choice»
Anfang dieses Monats wählten die Amerikanerinnen und Amerikaner einen neuen Präsidenten. Es siegte Donald Trump – und er siegte klarer als erwartet. Er gewann nicht nur die Mehrheit der Elektoren, sondern auch die Mehrheit der Volksstimmen.
Damit besitzt der Mann, der für die nächsten vier Jahre das mächtigste Amt der Welt bekleidet, über eine breite Legitimation – was seine Vorbildfunktion noch verstärkt.
Umso bedenklicher ist es, dass es sich bei diesem demokratisch gewählten und legitimierten künftigen amerikanischen Präsidenten um einen Mann handelt, der nie einen Hehl gemacht hat aus seiner ausgeprägt machistischen, betont virilen und dezidiert antifeministischen Haltung. Mehr noch: Er macht nicht nur keinen Hehl aus dieser Haltung – er prahlt damit.
Dabei zeigte sich nach Trumps Wahl eindrücklich, welche Wirkung der Vorbildeffekt zu entfalten vermag. Das «Institute for Strategic Dialogue» analysierte die Aktivitäten auf verschiedenen Social-Media-Plattformen – und stellte fest: Trumps Wahlsieg bestärkte sexistische und frauenhassende Männer darin, ungeniert ihre niederträchtigen Botschaften zu verbreiten.
Mit der Folge, dass eine Welle von aggressiven, gewaltverherrlichenden Inhalten durch die digitale Welt schwappte.
Eine TikTok-Nutzerin berichtete: «Ich musste ein Video löschen, weil ich bedroht wurde. Mehrere Männer kommentierten, sie könnten nicht warten, bis ich vergewaltigt werde.» Auf Facebook trendete die Aussage «Your body, my choice» («dein Körper, meine Wahl»). Männer brachten damit zum Ausdruck, dass es ihrer Meinung nach (wieder!) in ihrer Macht stehen soll, über Frauenkörper zu verfügen.
Solche Brutal-Botschaften sind die drastische Spitze einer Umwälzung, welcher dank «Vorbild» Trump an Schwung, Kraft und Breite gewonnen hat. Natürlich betrifft die Wirkung in erster Linie die USA – aber eben nur in erster Linie.
Die Ausstrahlung dieser Umwälzung reicht sehr viel weiter. Es ist eine Umwälzung retour, ein Backlash – ein Schritt zurück in die vermeintlich vergangene Zeit der ungebrochenen Männlichkeit und der klaren Geschlechterrollen: Back to a man’s world.
Plötzlich steht alles, wofür wir gekämpft haben – gegen sexualisierte Gewalt, für das Recht auf den eigenen Körper, für Gleichstellung, Antidiskriminierung und Frauenrechte… – wieder auf dem Prüfstand. In Frage gestellt von einer Art Neo-Restauration, die sich im Schlepptau des grossen Vorbilds breit und breiter macht.
Doppelte Wirkung
Nun ist, was wir aktuell erleben, nichts Neues. Backlashs gab es immer mal wieder und wird es auch in Zukunft immer mal wieder geben. Der Mensch neigt gerade in unsicheren Zeiten dazu, die Vergangenheit zu verklären und zu glauben, früher sei alles besser gewesen.
Diese Sehnsucht machen sich autoritäre populistische Bewegungen zunutze – Trump ist da kein Einzelfall. Solche Bewegungen neigen dazu, Frauen zu «Symbolen der Nation» zu stilisieren – zu Mutter-Figuren, die im patriarchalen Sinn und Geist traditionelle Rollenmuster am Leben erhalten. Die Frau soll dem Mann ein schönes Zuhause bieten, ihn umsorgen und ihm Kinder gebären.
Dementsprechend gehören die Abwertung von kinderlosen Frauen und die Forderung nach höheren Kinderzahlen zum Standard-Repertoire antifeministischer Kreise. Erwünschter Nebeneffekt: Je mehr Kinder eine Mutter hat, umso anspruchsvoller wird es (zumal wenn der Mann nicht mithilft), ein eigenes Einkommen zu verdienen und sich damit ökonomisch unabhängig zu machen.
Der Kampf für ein selbstbestimmtes Leben aller Frauen bedroht die alten Rollenmuster – entsprechend heftig wehren sich die Restauratoren gegen Fortschritte in diesem Bereich. Und umso dankbarer sind diese, wenn sie vom Sog eines Vorbilds profitieren können.
Bewegungen mit diesem Charakter – antimodern, antiemanzipiert und antifeministisch – haben dabei erfahrungsgemäss eine doppelte Wirkung. Erstens schwächen sie die Frauenrechte, bekämpfen Massnahmen zur Gleichstellung oder zum Schutz vor häuslicher Gewalt und torpedieren ganz allgemein das Verständnis, dass eine Gesellschaft aus gleichberechtigten, autonomen Menschen besteht.
Zweitens gibt es unter diesen Vorzeichen mehr geschlechterbasierte Gewalt. Umso wichtiger ist es mir, dass wir uns – gerade vor dem Hintergrund des aktuell laufenden Aktionsprogramms «16 Tage gegen Gewalt an Frauen» – dieses Themas annehmen.
Es geht um Elementares
Und was heisst das nun für uns? Wir haben zwar keinen Einfluss darauf, wer in den USA ins Weisse Haus einzieht. Aber machtlos sind wir deswegen nicht.
Wir haben es in der Hand, uns dem antifeministischen Backlash entgegenzustellen. Es ist unser Entscheid, ob wir der «Back to a man’s world»-Bewegung freien Lauf lassen – oder ob wir uns dagegen wehren wollen.
Klar, was ich finde: wehren natürlich!
Was es dafür braucht, ist rasch gesagt: Es braucht den Schulterschluss.
Natürlich: Ein aufgeklärtes, modernes, emanzipiertes Geschlechterverständnis ist wichtig für uns Frauen: weil es uns ein autonomes Leben ermöglicht und die Voraussetzungen schafft für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf.
Ein solches Verständnis ist aber ebenso für die Gesellschaft insgesamt wichtig: weil es ein Klima des gegenseitigen Respekts, des Miteinanders und der Gleichheit schafft.
Es geht also um Elementares. Und das kann nicht alleinige Aufgabe der Frauen und schon gar nicht der linken Frauen sein. Es braucht alle – und drum eben den Schulterschluss:
Männer und Frauen von links bis rechts – steht zusammen und kämpft für die Errungenschaft einer modernen Gesellschaft!
Wir alle profitieren davon! Und wenn Ihnen, geschätzte Männer und Frauen, Ihr eigener Nutzen nicht genug Motivation fürs Engagement ist, dann denken Sie an Ihre Töchter, Enkelinnen und Urenkelinnen. Diese verdienen, dass Sie sich für eine Welt einsetzen, die ein guter Ort ist für Frauen.
Mit Ihrem Einsatz für eine freie, aufgeklärte und emanzipierte Gesellschaft übernehmen Sie Verantwortung für die Zukunft Ihrer Töchter und Enkelinnen. Tun Sie es!
Foto: Denken Sie an Ihre Töchter, Enkelinnen und Urenkelinnen! (Quelle Pixabay)
Jose Antonio Gordillo Martorell schrieb
Sehr geehrte Frau Fehr. Danke, dass Sie etwas so Notwendiges geschrieben haben. Wir alle haben eine wichtige Rolle bei dieser für uns alle wichtigen Arbeit zu spielen. Mit freundlichen Grüßen Jose