
Das Kinder- und Erwachsenenschutzgesetz hilft verletzlichen und schutzbedürftigen Menschen. Doch funktioniert das heutige System? Eine von mir in Auftrag gegebene Überprüfung zeigt: Ja, das tut es. Es gibt aber auch Verbesserungsbedarf. Und diesen packen wir an.
Eltern im Streit ums Besuchsrecht – Die 80-jährige Frau, die ihre Post und Rechnungen nicht mehr bewältigen kann – Ein Bub, der nicht mehr bei seinen drogensüchtigen Eltern leben will. Die erfolgreiche Anwältin, die ein Burnout erleidet und vorübergehend nicht mehr für sich entscheiden kann. Der Nachbar, der verwahrlost wirkt und Unterstützung braucht. Der betagte Vater im Koma und die Frage, ob er lebensverlängernde Massnahmen wünscht oder nicht… Der Familienstreit, bei dem der jüngste Sohn die finanziellen Belange der Mutter übernehmen und damit Zugriff aufs Konto der Mutter will.
Um all diese schwierigen Fragen kümmern sich seit 2013 die KESB, die Kindes- und Erwachsenenschutzbehörden. Und in keinem anderen Bereich ist so klar: Der schutzbedürftige Mensch muss im Zentrum stehen.
Und das gelingt den KESB in hohem Mass. In den allermeisten Fällen finden die Behörden gemeinsam und im Gespräch mit den Betroffenen und Angehörigen gute und tragfähige Lösungen. Nur wenige Verfahren sind konflikthaft und strittig. Aber genau für diese braucht es ein taugliches Gesetz. Ein Gesetz, das es den Behörden ermöglicht, nachvollziehbar und innert nützlicher Frist zu entscheiden. Im Kanton Zürich heisst das Gesetz EG KESR (kantonales Einführungsgesetz zum Kindes- und Erwachsenenschutzrecht).
Das EG KESR bildet den Rahmen um die komplexe Arbeit der KESB. Als Vorsteherin des Inneren habe ich im Kanton Zürich die kantonale Aufsicht über die KESB und bin damit auch verantwortlich für die Weiterentwicklung der gesetzlichen Grundlage. Deshalb wollte ich fünf Jahre nach seiner Einführung wissen, ob das Gesetz wirklich funktioniert. Ich habe deshalb eine Überprüfung des EG KESR in Auftrag gegeben.
Das System funktioniert gut
Die Überprüfung zeigt: Ja, das tut es. Das Gesetz hat viele Stärken. Es hat aber auch zwei gewichtige Schwächen. Die strittigen Verfahren sind zu kompliziert geregelt und dauern zu lange. Wir müssen sie also vereinfachen und beschleunigen.
Wir wollen dieses Ziel auf zwei Schienen erreichen: Einerseits besteht gesetzlicher Handlungsbedarf im Rahmen einer Teilrevision des EG KESR. Eine solche werden wir an die Hand nehmen, damit in einem ersten Schritt der Regierungsrat und anschliessend der Kantonsrat darüber befinden können.
Noch einfacher, noch schneller
Die Teilrevision soll sich insbesondere mit der Verfahrensordnung befassen. Diese soll einfacher werden. Betroffene Menschen haben einen Anspruch darauf, dass schnell nachvollziehbare Entscheide getroffen und damit klare Verhältnisse geschaffen werden. Insbesondere im Kindesschutz ist der Zeitfaktor bedeutend.
- Zur Straffung der Verfahren schlagen wir daher neu das Obergericht als einzige kantonale Rechtsmittelinstanz vor. Damit hätte der Kanton Zürich ebenfalls nur noch eine Rechtsmittelinstanz im Kindes- und Erwachsenenschutzrecht – wie dies bereits 24 andere Kantone so handhaben.
- Daneben empfehlen wir, die Vorgaben an die Zusammensetzung der KESB sowie an die zugelassenen Aus- und Weiterbildungen anzupassen: Heute schreibt das Gesetz vor, aus welchen Disziplinen die KESB-Behördenmitglieder stammen und welche Berufsausbildungen sie haben müssen. Das ist zu eng, das müssen wir öffnen. Ergänzend schlagen wir eine Erweiterung der Einzelzuständigkeiten der Behördenmitglieder vor, damit weniger komplexe Entscheide von einem Behördenmitglied alleine getroffen werden können. Das macht die Verfahren einfacher. Schliesslich wollen wir in der Teilrevision auch festhalten, dass die Berufsbeistandschaften und die KESB jeweils für dieselben Gebiete zuständig sind, was heute nicht überall der Fall ist.
Zudem schlagen wir weitere Massnahmen ausserhalb der Gesetzesrevision vor, die ebenfalls zu einem besseren Schutz der Betroffenen führen sollen – für deren Umsetzung wären mehrheitlich die Trägerschaften zuständig.
- So sollen die Berufsbeistandschaften die digitale Aktenführung und Aufbewahrung einführen.
- Zudem soll die bereits heute gute Zusammenarbeit weiterentwickelt werden – mittels regelmässiger Austauschtreffen aller involvierten Stellen beispielsweise.
- Auch soll die Kommunikation zur Information und Sensibilisierung der Öffentlichkeit durch die KESB gestärkt werden – warum nicht eine zentrale Kommunikationsstelle schaffen?
Der Mensch im Zentrum
All diese Verbesserungen und Massnahmen mögen technisch und fachlich klingen. Letztlich aber geht es um schutzbedürftige Menschen, die Hilfe brauchen. Mir ist es ein zentrales Anliegen, dass wir uns ständig bemühen, den Anliegen dieser Menschen noch besser, schneller und einfacher Rechnung zu tragen. Damit das Mädchen, dessen Eltern sich ums Besuchsrecht streiten, so rasch als möglich weiss, ob es am Wochenende bei Mama oder bei Papa ist.
Illustration: Daniela Rütimann
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