Hilfe vor Ort wirkt. Davon konnte sich eine Delegation des Kantons Zürich auf ihrer Reise in Jordanien überzeugen. Zusammen mit meiner Generalsekretärin und der Leiterin der Fachstelle Integration durfte ich das Wirken der schweizerischen Humanitären Hilfe in den Flüchtlingslagern Jordaniens besichtigen. Der Kanton Zürich hat dieses Wirken der Nichtregierungsorganisation «Terres des Hommes» im vergangenen Sommer mit 300‘000 Franken unterstützt.
In Jordanien leben etwas mehr als 11 Millionen Menschen. Davon sind laut der Schweizer Botschaft in Amman rund 3,9 Millionen Geflüchtete – manche registriert, andere nicht. Damit gehört Jordanien weltweit zu den Ländern, die pro Kopf der Bevölkerung am meisten Geflüchteten Schutz bieten.
Von Kriegen und Konflikten umgeben, bemüht sich das Land, vom Strudel der Geschehnisse nicht erfasst zu werden. Politische Berechenbarkeit, ein gutes Bildungswesen und eine Wirtschaftselite mit viel internationaler Erfahrung sind die Pfeiler der momentanen Stabilität.
Doch egal, ob man mit lokalen Botschaftsmitarbeitenden, mit dem Taxifahrer oder dem Ladenbesitzer um die Ecke spricht: Alle warnen. Wenn Jordanien bei der Flüchtlingsbetreuung keine Unterstützung erhält und damit die Mittel für andere staatliche Aufgaben knapp werden, kann die Stimmung rasch kippen. Auch in Jordanien ist die Inflation hoch, was sich bei den Preisen für Benzin und andere Alltagsgüter unmittelbar zeigt.
In unserem eigenen Interesse
Nennen wir die Sache beim Namen. Europa und damit auch die Schweiz haben alles Interesse, dass Jordanien die Betreuung der Geflüchteten sicherstellen kann. Ist diese nicht mehr gewährleistet, werden sich die Menschen früher oder später in der Hoffnung auf ein besseres Leben auf die Weiterreise machen. Europa ist dann für viele das Ziel.
Hilfe vor Ort bedeutet also nicht nur: dort zu helfen, wo die Menschen ursprünglich herkommen. Hilfe vor Ort bedeutet auch: sich dort zu engagieren, wo viele Geflüchtete leben – nämlich in den Nachbarländern der Krisenregionen.
Doch was heisst Hilfe vor Ort konkret?
Das Engagement von «Terres des Hommes» ist in Jordanien auf die grosse Gruppe der syrischen Flüchtlinge ausgerichtet. Von diesen leben rund achtzig Prozent in den Dörfern und Städten, zwanzig Prozent in Flüchtlingslagern. Jordanien leistet aus eigenen Kräften viel für die Unterbringung und Betreuung dieser Menschen in Not. Doch das Land ist auf internationale Hilfe angewiesen.
Lokale Angebote
«Terres des Hommes» unterstützt in den Flüchtlingslagern und den stark belasteten Stadtteilen Angebote, die wir am ehesten mit jenen in den Gemeinschaftszentren der Stadt Zürich vergleichen können: gestaltete Freizeit für Kinder und Jugendliche, also zum Beispiel Sport oder Kultur, Erwachsenenbildung mit dem Schwerpunkt gewaltfreie Erziehung und gewaltfreies Zusammenleben, Nachhilfeunterricht oder psychosoziale Beratung. Hinzu kommen Angebote für junge Menschen, die im Berufsleben Fuss fassen wollen. Sie können Grundkenntnisse in einfachen gewerblichen Berufen erwerben, etwa als Schneiderin, Coiffeur oder im Catering.
Wichtig ist, dass die Angebote von Menschen aufgebaut und betreut werden, die in Jordanien leben. Die Nichtregierungsorganisationen wie in unserem Fall «Terres des Hommes» schaffen den Rahmen, stehen unterstützend zur Verfügung und sorgen für die nötige Qualitätssicherung. Die Arbeit selber leisten Einheimische.
Angeleitete Freiwilligenarbeit hat eine mehrfach positive Wirkung: Die Volunteers haben eine Aufgabe, verdienen ein Taschengeld hinzu, können sich weiterqualifizieren und erleben sich in einer Funktion mit Verantwortung.
Ein Slogan, der nicht Slogan bleiben darf
Kaum ein Thema spaltet die Menschen in Europa so sehr wie die Migrationspolitik. Während wir streiten und schon bei einigen tausend geflüchteten Menschen von der Überlastung des Systems sprechen, sorgt Jordanien Tag für Tag dafür, dass Hunderttausende von Menschen im Land bleiben können und nicht weiterziehen müssen. Damit erbringt Jordanien eine Leistung für uns alle.
Hilfe vor Ort ist in der Migrationspolitik der einzige Slogan, der zwischen den Lagern Brücken schlagen kann. Entsprechend beliebt ist er. Doch mit einem Slogan, auch einem beliebten, ist noch gar nichts gewonnen. Wem es mit der Hilfe vor Ort ernst ist, muss dazu beitragen, dass wir sie leisten. Und das besser heute als erst morgen.
Nötig ist handfeste finanzielle Unterstützung – von der Schweiz, vom Kanton Zürich und auch von uns Privatpersonen. Zum Beispiel mit einer Spende an «Terres des Hommes», an die Unicef, an das Rote Kreuz oder das Hilfswerk «Save the Children».
Die Bilder zeigen Impressionen aus dem Flüchtlingslager in der Nähe von Azraq: Hier leben in erster Linie Geflüchtete aus Syrien, 60 Prozent sind Kinder unter 18 Jahren (PD).
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