Niemand ist frei von Vorurteilen. Umso wichtiger ist es, dass wir uns unsere Vorurteile immer wieder bewusst machen. Die aktuell laufende internationale Woche gegen Rassismus ist eine gute Gelegenheit dazu. Vorurteile haben für die Betroffenen schmerzhafte Folgen. Sie bewirken, dass wir jemandem, der nicht fehlerfrei Deutsch spricht, der eine andere Hautfarbe hat oder nur schon einen ausländischen Namen trägt, weniger zutrauen. Vorurteile führen zu Ungleichheit. Dagegen müssen wir kämpfen.
Haben Sie das auch schon erlebt?
Sie steigen zu einem Taxifahrer ins Auto und sagen ihm, wo Sie hinwollen. Er versteht Sie kaum, und als er losfährt, haben Sie grösste Zweifel, ob Sie auch wirklich ans Ziel kommen.
Oder:
Sie sind nachts unterwegs, da kommen Ihnen fünf junge Männer entgegen. Alle fünf tragen schwarze Hoodies und sprechen eine Sprache, die Sie nicht verstehen. Sie spüren, dass Sie erleichtert sind, als Sie an der Gruppe vorbei sind.
Den allermeisten Menschen – auch mir – geht es in solchen Situationen ähnlich: Es meldet sich der Vorurteils-Reflex. Ungebildet, dieser Taxifahrer! Unheimlich, diese Männer! So qualifizieren wir – ohne eine Ahnung zu haben, ob das Vor-Urteil auch nur entfernt mit der Realität zu tun hat.
Rasch und spontan
Vorurteile entstehen meist rasch und spontan. Ihre Überwindung ist hingegen sehr viel langwieriger. Die Vorurteile nisten sich irgendwo im Unter- oder Halbbewussten ein und halten sich dort hartnäckig – und das oftmals nicht nur bei einem selbst. Viele Vorurteile bilden eine gesellschaftlich verbreitete Wahrnehmung ab. In dieser Breitenwirkung liegt ihre Wucht.
Vorurteile führen dazu, dass wir Menschen ungleich behandeln. Dass wir zum Beispiel jemandem, der nicht fehlerfrei Deutsch spricht oder eine andere Hautfarbe hat, einer anderen Religion angehört oder nur schon einen ausländischen Namen trägt, weniger zutrauen als einer Erika Müller oder einem Peter Meier.
Für die Betroffenen sind die Folgen sehr direkt, sehr konkret – und sehr schmerzhaft: Sie erleben Benachteiligung – etwa in der Schule, bei der Wohnungssuche oder auf dem Arbeitsmarkt.
In der Fachwelt spricht man von strukturellem Rassismus. Eine aktuelle Studie dazu zeigt: Wenn sich zwei Personen mit identischen Unterlagen bewerben, dann muss sich jene mit dem ausländisch klingenden Namen deutlich öfter bewerben, damit sie zu einem Gespräch eingeladen wird. Falscher Name gleich schlechte Chancen. Wollen wir das? Nein!
Das Bewusstsein wächst
Die internationale Woche gegen Rassismus ist eine gute Gelegenheit, um sich die Macht der Vorurteile und die Wucht ihrer Folgen bewusst zu machen. Und vor allem: um dagegen anzukämpfen – um uns gegen Diskriminierung und für Inklusion, Teilhabe und Integration zu engagieren.
Das ist wichtig. Rassismus, Diskriminierung, Ungleichbehandlung und Abwertung sind nicht nur für die Betroffenen schlimm und erniedrigend. Sie schaden darüber hinaus dem gesellschaftlichen Zusammenhalt. Sie führen zur Ausgrenzung ganzer Gruppen und zementieren die Ungleichheit.
Die gute Nachricht ist: Das Bewusstsein dafür, wie wichtig das Engagement gegen Rassismus und Diskriminierung ist, wächst und wächst. Die Menschen und insbesondere die Betroffenen selber reden viel mehr darüber als früher. Das Thema beschäftigt. Und das ist sehr wichtig. Laut einer Erhebung des Bundesamts für Statistik betrachten 60 Prozent der Schweizer Bevölkerung Rassismus als Problem. Ein grosser Teil ist zudem der Ansicht, dass die Behörden mehr dagegen unternehmen sollten.
Ja, wir alle müssen noch mehr unternehmen.
Gleichzeitig dürfen wir aber auch feststellen: Ganz viele Menschen und Organisationen in unserem Kanton, in der Schweiz und weltweit setzen sich mit grossem Engagement für eine Gesellschaft ohne Abwertung und Ausgrenzung ein.
Zum Beispiel haben wir uns in unserer Direktion der Justiz und des Innern als Legislaturziel vorgenommen, die gesellschaftliche Teilhabe zu fördern und strukturellen Ungleichbehandlungen entgegenzuwirken. Mit konkreten Massnahmen wollen wir dazu beitragen, dass wir Vorurteile hinterfragen und überwinden – dazu gehören die Entwicklung von neuen HR-Tools, der Aufbau einer interdirektionalen Vernetzungsgruppe oder das Angebot eines Workshops zu strukturellem Rassismus. So möchten wir mithelfen, eine weniger ungleiche Gesellschaft zu schaffen.
Ich bin glücklich und dankbar für den Weg, den wir bereits zurückgelegt haben.
Aber – ich wiederhole mich: Es braucht mehr.
Um dieses Mehr müssen wir uns kümmern – nicht nur jetzt, in der Aktionswoche gegen Rassismus.
Über Rassismus reden lernen
Wir müssen noch besser über Diskriminierung und Rassismus reden lernen – sachlich und konstruktiv. Selbstkritisch, ohne dass wir uns gegenseitig an den Pranger stellen. Fortschritte erreichen wir, wenn wir uns auf Vorurteile und blinde Flecken – solche haben wir alle! – hinweisen und bereit sind, diese zu reflektieren.
Verwaltungen und Behörden sollten sich dafür einzusetzen, dass die Antirassismusstrafnorm im digitalen Raum besser durchgesetzt wird. Oder dafür sorgen, dass die bestehenden Anlaufstellen für Opfer von Diskriminierung und Rassismus (zum Beispiel ZüRAS) besser bekannt werden. Oder einen Effort leisten für ein einheitliches Monitoring von sämtlichen Rassismus-Formen.
Das Bild ist wie so oft gemischt.
Nehmen wir die Aktionswoche gegen Rassismus zum Anlass, um uns über das Erreichte zu freuen! Und nehmen wir sie gleichzeitig als Ansporn und Motivation, mehr zu tun. Zum Beispiel das.
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