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Die etwas andere Weihnachtsgeschichte: Was wäre, wenn Andreas Glarner ein syrischer Flüchtling wäre?

20. Dezember 2024 2 Kommentare

Das Ansinnen, vorläufig aufgenommenen Asylsuchenden den Familiennachzug zu verbieten, ist im Ständerat – knapp – gescheitert. Der Vorgang bringt mich auf ein paar vorweihnächtliche Gedanken.

Wenige Tage vor Weihnachten debattierte der Ständerat darüber, ob vorläufig aufgenommenen Flüchtlingen der Familiennachzug untersagt werden soll.

Man muss sich das einmal vorstellen: Da verhandeln also Politikerinnen und Politiker darüber, ob sie gegen unsere Verfassung und zusätzlich gegen die Europäische Menschenrechtskonvention verstossen sollen, damit das Asylrecht ein weiteres Mal verschärft werden kann. Denn um nichts weniger als um eine Verletzung von Verfassung und Völkerrecht handelt es sich beim Ansinnen, den Familiennachzug für eine bestimmte Gruppe von Personen kategorisch zu verbieten.

Und das alles kurz bevor sich dieselben Politikerinnen und Politiker zusammen mit ihren Familien um den Weihnachtsbaum setzen und bei Kerzenlicht die Geschichte von Maria und Josef und dem Jesuskind feiern, die ja nichts anderes als eine Geschichte von Flucht und Migration ist.

Die gute Nachricht ist: Nachdem der Nationalrat den Vorstoss der SVP gegen den Familiennachzug im September noch mit klarer Mehrheit angenommen hatte, sagte der Ständerat – sehr knapp – Nein. Damit ist das Ansinnen vom Tisch.

Beschäftigen tut mich der Vorgang allerdings nach wie vor – vielleicht sind die nahen Weihnachten ja mitschuldig daran. Das Thema Flucht und Migration bestimmt die Urgeschichte unserer christlich-abendländischen Kultur. Es steht am Anfang des humanitären Gedankens.  

Das Glück der Geburt

Machen wir doch ein kleines Gedankenexperiment – und versuchen uns vorzustellen: Was wäre, wenn die Asylrechtsverschärfer – etwa die SVP-Nationalräte Glarner und Knutti oder deren Ständeratskollegin Friedli – nicht das Glück gehabt hätten, als Schweizerin oder als Schweizer auf die Welt zu kommen? Sondern zum Beispiel als Syrerin? Oder als Eritreer? Wer wären sie heute? Rechtschaffen? Auf der Flucht? Mit Traumafolge in einer schweizerischen Notunterkunft? Auf der Suche nach ihren Angehörigen? Wären sie überhaupt noch am Leben?

Es ist nichts als blanker, reiner Zufall, wo und in welches Umfeld man geboren wird. Wer das gewaltige Glück hat, als Schweizerin oder Schweizer auf die Welt zu kommen, sollte folglich vor allem eines sein: demütig. Und dankbar.

Die so pauschale wie vehemente Anti-Asylrhetorik der SVP (eifrig unterstützt von einem beträchtlichen Teil des übrigen bürgerlichen Lagers) ist weder das eine noch das andere.

Und sie wird richtig unappetitlich, wenn bewusst falsche Behauptungen in die Welt gesetzt werden. Wenn Nationalrat Knutti den Familiennachzug für vorläufig aufgenommene Geflohene mit dem Argument verbieten will, dass dieser Nachzug «für die Bevölkerung unseres Landes Wohnungsnot, überfüllte Strassen und Züge, Probleme in den Schulen» bedeute, dann ist das schlicht und einfach Unsinn. Wer zur Bekräftigung seiner Meinung Fakten herbeifantasiert, die nichts mit der Realität zu tun haben, untergräbt mutwillig die Glaubwürdigkeit der Politik – und damit das Fundament eines funktionierenden Staats.

Die wirklichen Fakten gehen so: Die Schweiz ist bei vorläufig aufgenommenen Asylsuchenden sehr streng mit den Bewilligungen für Familiennachzüge. Ein solcher kommt nur in Frage, wenn der Gesuchstellende materiell auf eigenen Beinen steht, sich in unserer Sprache verständigen kann und weitere Voraussetzungen erfüllt.

Dementsprechend gab es in der jüngeren Vergangenheit nur rund hundert Bewilligungen pro Jahr. Diese fallen – mit Blick auf die gesamte Zuwanderung – nicht ins Gewicht. Es sind Ziffern auf der dritten Stelle hinter dem Komma. Was besonders stossend ist: Nationalrat Knutti weiss das und behauptet doch das Gegenteil. Bewusste Irreführung statt redliche Auseinandersetzung.

Gegen die Sofa-Moral

Was wäre, wenn? Was wäre, wenn das Erleben von Verfolgung, Flucht und Entwurzelung nicht immer «nur» das Erleben «der anderen» wäre? Was wäre, wenn wir selber solche Erfahrungen gemacht hätten und im Bewusstsein um diese Erfahrungen unsere Asylpolitik gestalten und darüber entscheiden würden, wie wir es mit dem Familiennachzug halten möchten?

Die Kehrseite des Privilegs unserer Herkunft, das wir als Schweizerinnen und Schweizer haben, ist unser Hang zur Sofa-Moral. Wir halten den Daumen hoch oder runter und bewerten das Verhalten von prekarisierten Menschen mit hochnäsiger Moral vom bequemen Sofa aus.

Die Sofa-Moral grassiert vor allem bei unserem politischen Personal. Dieses besteht zum Grossteil aus doppelt privilegierten Menschen: Wir Politikerinnen und Politiker sind nicht nur privilegiert durch unsere Nationalität, sondern meist auch bildungsmässig, materiell und sozial gut gestellt. Kein Ständerat, keine Nationalrätin lebt in prekären Verhältnissen, kaum ein Parlamentarier weiss aus eigener Erfahrung, was es heisst, wenn der Lohn nicht bis zum Monatsende reicht und man den eigenen Kindern nicht das ermöglichen kann, was man ihnen ermöglichen möchte. Und wenige Regierungsrätinnen haben schon mal mit Menschen Zeit verbracht, die wirklich am Rande der Gesellschaft leben.

In der Schweiz machen wir unsere Politik – bildlich gesprochen – auf dem warmen Sofa einer gesicherten, ungefährdeten Existenz. Das heisst nicht zwingend, dass die politischen Ergebnisse deshalb schlecht sind. Sollen die gut herauskommen, ist aber ein besonderer Effort gefordert: Die Politik braucht unter diesen Voraussetzungen besonders viel Empathie und Verantwortungsbewusstsein. Bei den (rechts-)bürgerlichen Asylrechtsverschärfern ist nichts von dem vorhanden.

Man kann es auch ganz einfach mit Karl Marx sagen: Das Sein bestimmt das Bewusstsein.

Ich wünsche frohe Weihnachten.

Bild: Die Geschichte von Maria und Josef und dem Jesuskind ist eine Geschichte von Flucht und Migration (Quelle Pixabay)

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Kategorie: Blog Tags: Push

Reader Interactions

Kommentare

  1. Jose Antonio Gordillo Martorell schrieb

    20. Dezember 2024 um 10:33

    Vielen Dank, Frau Fehr, für diesen mutigen Artikel, der den Kern der Sache trifft: das Einfühlungsvermögen von Politikern gegenüber ihren Mitmenschen bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben und Funktionen. Die Fähigkeit, sich in die Lage des anderen zu versetzen. Die Demut, die eigenen Grenzen zu erkennen, wenn es darum geht, die wahre Dimension eines Problems und seine möglichen Lösungen zu verstehen.

    Wir erleben einen regelrechten „Anti-Asyl“-Tsunami in Europa, dem sich immer mehr Regierungen (Finnland, die Niederlande, Schweden, Italien usw.) anschließen und der Dinge in Frage stellt, die wir für sicher hielten, wie etwa völkerrechtliche Verträge oder das Recht der Europäischen Union selbst. Aber das scheint keine Rolle zu spielen. Die „Dampfwalze“ der Wahlen läuft auf Hochtouren und bringt die Stimmen, die sich viele in die Hände spielen. Rechte, die bisher unangefochten als grundlegend galten, geraten nun ins Wanken.

    Die Reaktion vieler Regierungen in Europa auf den Sturz des Regimes von Bashar al-Assad in weniger als 24 Stunden war bezeichnend: Sie „forderten“ ihre syrischen Asylbewerber auf, das Land so schnell wie möglich zu verlassen, da ihre Zukunft nun gesichert sei.

    Die entscheidende Frage ist, was jeder von uns tun kann, um sicherzustellen, dass diese kontrollierte Zerstörung der Architektur der Grundrechte nicht stattfindet, oder zumindest nicht mit der Leichtigkeit, mit der sie stattfindet.

    Ich wünsche Ihnen ein frohes Weihnachtsfest und ein erfolgreiches Jahr 2025.

    Jose

    Antworten
  2. Jose Antonio Gordillo Martorell schrieb

    20. Dezember 2024 um 12:43

    Joan Didion sagte: „Wir erzählen uns Geschichten, um zu leben“. Welche Geschichten erzählen wir uns heute, nach denen wir leben? Geschichten von Hass und Ressentiments, die es uns erlauben, ein gutes Gewissen zu haben, wenn wir den anderen, den, der anders ist, den, der nicht so denkt wie ich, als Feind behandeln, den es zu schlagen gilt?

    Eine andere große Geschichtenerzählerin, Margaret Artwood, sagte kürzlich in einer Debatte über Demokratie, dass wir in revolutionären Zeiten leben, die denen im vorrevolutionären Frankreich sehr ähnlich sind, in denen sich alles zu beschleunigen scheint, es keinen Bezugspunkt gibt, an dem man sich festhalten kann, und das Wort „Klasse“ immer häufiger zu hören ist.

    In ihrer Dankesrede für den diesjährigen Literaturnobelpreis sagte die Schriftstellerin Han Kang unter Bezugnahme auf einen ihrer Romane „The Wind Blows, Go Away“: „Wenn wir das Leben und die Welt nicht ablehnen können, um Gewalt zu vermeiden, und wenn wir nicht zu Pflanzen werden können, wie können wir dann weiterleben?

    Jose

    Antworten

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