Im digitalen Universum ist gerade eine Zügelaktion im Gange. Und weil diese Zügelaktion aus wichtigen und guten Gründen erfolgt, zügle ich mit. It’s Time to Say Goodbye: Ich verlasse die Plattform X und wechsle zu Bluesky.
Gewiss, es gibt diese wichtigen und guten Gründe, X zu verlassen, nicht erst seit heute. Aber es ist so, dass sie in der jüngsten Vergangenheit noch einmal an Dringlichkeit gewonnen haben.
X-Besitzer Elon Musk hat im Präsidentschaftswahlkampf in den USA überdeutlich zum Ausdruck gebracht, um was es ihm geht: um sich selber, sein Ego und die Durchsetzung seiner Vorstellungen und Interessen.
Alles weitere: bestenfalls sekundär, vielleicht auch nur dritt- oder viertrangig. Demokratische Prinzipien? Rechtsstaatlichkeit? Politische Kultur? Unsere ganze staatspolitische Tradition? Für Musk und seinen Freund, der demnächst ins Oval Office einzieht, sind das nicht Fundamente unserer Zivilisation. Sondern eher lästiges Beigemüse.
Ich neige nicht zum Schwarzmalen und habe auch mit Blick auf die USA die Hoffnung und die Überzeugung, dass die Traditionen und Institutionen einer über 200-jährigen demokratischen Verfassung stark sind und sich nicht von einem rechtspopulistischen Männer-Club einreissen lassen.
Haltung zeigen!
Allerdings wird nicht von selbst alles wieder gut. Wir müssen unseren Beitrag leisten. Alle.
Dazu gehört, dass wir Stellung beziehen. Es gibt Fragen, die sind grösser und wichtiger als andere. In der Schweiz sind das zum Beispiel Abstimmungen, bei denen es um Grundsätzliches, um Prinzipielles geht. Die Entscheide über die Durchsetzungsinitiative oder über den EWR waren solche Abstimmungen.
In der Natur von grossen Fragen liegt, dass sie die Gesellschaft spalten. Aber sie bringen ebenso Prozesse in Gang, weil grosse Fragen die Menschen dazu zwingen, sich mit wichtigen Themen zu befassen, sich eine Meinung zu bilden – und Haltung zu zeigen!
Die Liste der Zügelnden ist lang
Gemessen an der Macht und am Einfluss sozialer Netzwerke hat auch die Frage, um die es hier geht, das Zeug zur grossen Frage: Bleibst du bei X oder gehst du?
Im Kern geht es um die Frage, ob man sich digital an einem Ort aufhalten will, wo Elementarwerte unseres Zusammenlebens ungeniert in Frage gestellt werden, wo Hass, Pöbelei und Diffamierung dominieren, und das in einem Klima, das politisch klar rechts und zum Teil sehr weit rechts ist.
Ein Journalist der Republik hat klug beschrieben, weshalb nun der Moment für einen Wechsel von X zu Bluesky gekommen sei. Auch die Republik selber hat diesen Wechsel vollzogen, ebenso zahlreiche Politiker:innen (zum Beispiel Bundesrätin Elisabeth Baume-Schneider), Journalist:innen, Wissenschaftler:innen und so weiter. Die Liste der Zügelnden ist lang. Bluesky verzeichnet gerade steil ansteigende Nutzendenzahlen.
Ich freue mich auf den Austausch
Ich finde nicht, dass soziale Netzwerke ein Hort der Harmonie sein müssen. Ich finde, man darf und soll dort Meinungen äussern und sich exponieren. Und man soll und darf darauf reagieren, zustimmend oder widersprechend. Die Demokratie lebt vom Widerspruch, vom Wettbewerb der Argumente. Im Idealfall (der leider nicht unbedingt der Regelfall ist) setzen sich am Ende die besten Argumente durch.
Auf Twitter war es früher möglich, (einigermassen) gesittete Diskussionen zu führen. Es war ein Ort des interessierten, neugierigen Austauschs.
Inzwischen ist Twitter/X zu einem Ort des Kreuzzugs der (selbsternannten) Rechtgläubigen gegen alle Falschgläubigen geworden. Da kann und will ich nicht dabei sein. Deswegen zügle ich.
Ich freue ich auf den Austausch und die Debatten auf Bluesky. Und falls sich jemand ebenfalls zum Zügeln entschliessen sollte: Ich freue mich über alle, die mitkommen! Im oben verlinkten Republik-Artikel hat es übrigens eine nützliche Zügel-Anleitung.
Bild: Es ist Zeit für einen Wechsel – weg von X, hin zu Bluesky. (Quelle: Screenshot)
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