
Die Jungen sind politischer geworden – mitbestimmen können die unter 18-Jährigen aber nicht. Es ist Zeit, auch ihnen eine Stimme zu geben. Sie werden neue Impulse bringen und damit unsere Demokratie stärken.
Wissen Sie noch, was Sie mit 16 beschäftigte? Für welche Anliegen Sie brannten? Ich kann mich gut erinnern: Im Konf-Unterricht provozierte mich der Pfarrer mit der These, die gesellschaftliche Elite habe mehr zu sagen. Und fast gleichzeitig plante die Armee in meinem Dorf eine Halle für Panzer. So begann mein politisches Engagement bei der lokalen SP. Die Halle wurde zwar dann doch gebaut und auch der Pfarrer blieb noch ein paar Jahre im Amt – das war aber gar nicht so entscheidend. Wichtig waren das Engagement und damit die Erkenntnis, wo meine politische Heimat ist. Wie gern hätte ich damals auch mitbestimmen und wählen können!
Wie muss es den Jugendlichen heute erst gehen? So politisch, laut und unbequem wie wir damals sind sie heute allemal. Der aktuelle Jugendbarometer Schweiz (eine gfs-Studie im Auftrag der Credit Suisse) zeigt, dass beispielsweise der Anteil der Jugendlichen, die bereit sind, bei politischen Demonstrationen mitzumachen, in den letzten Jahren deutlich gestiegen ist – von 7 Prozent im Jahr 2010 auf 21 Prozent im 2020.
Die Beteiligungsmöglichkeiten an den institutionellen politischen Prozessen stehen in einem krassen Gegensatz zu diesem Engagement. Abstimmen und wählen dürfen die unter 18-Jährigen nicht. Die Jugendlichen, die sich um ihre Zukunft auf unserem Planeten sorgen, haben keine Stimme. Sie können auf die Strasse gehen, streiken, lautstark auf ihre Anliegen aufmerksam machen – was sie erfreulicherweise tun! –, aber sie haben nicht die Chance, an der Urne unsere Klima-, unsere Wirtschafts- und unsere Sozialpolitik mitzugestalten.
Das darf nicht so bleiben. Wir müssen das Stimmrechtsalter auf 16 Jahre senken. Die Jungen müssen sich einmischen und mitgestalten können. Ob sie dann den informellen Protest auf der Strasse vorziehen oder sich tatsächlich auch an der Urne einbringen, ist ihnen überlassen.
Das Stimmrechtsalter 16 ist für die Jungen gut, aber auch für uns alle. Und zwar aus mehreren Gründen. Ich nenne drei:
1. Stimmrechtsalter 16 wirkt gegen die Überalterung unserer Demokratie
Die Schweizer Bevölkerung altert. Und ältere Bürgerinnen und Bürger gehen überdurchschnittlich häufig an die Urne. Das hat Konsequenzen. Das Medianalter der Abstimmenden in der Schweiz lag 2015 bereits bei 56 Jahren, bis 2035 dürfte es auf deutlich über 60 Jahre klettern, wie Avenir Suisse unlängst vorrechnete. Das führt dazu, dass die Jugendlichen und ihre Anliegen in politischen Entscheidungen unterrepräsentiert sind.
Ist eine Demokratie repräsentativ, wenn die Hälfte der Stimmenden bald über 60 ist? Ist es richtig, wenn diese ältere Generation mit so viel Gewicht über Fragen entscheidet, von denen die junge Generation viel stärker und länger betroffen sein wird? Haben wir Älteren wirklich eine Vorstellung davon, was es heisst, bis gegen das Jahr 2100 zu leben?
2. Stimmrechtsalter 16 stärkt die politische Bildung
Manch eine politische Karriere begann im Schüler/innen-Parlament und später in einer Jungpartei. Die Ausbildungsjahre sind wichtige Jahre für die Politisierung. Und sie sind wichtige Jahre für die politische Bildung. Mit 16 gehen die Jugendlichen noch zur Schule und haben ein paar Lektionen Staatskunde. Was für eine Trockenübung für Jugendliche, die nicht selber abstimmen und wählen können! Berufsschullehrkräfte können ein Lied davon singen, wie anders motiviert eine Klasse ist, wenn viele bereits abstimmen gehen können.
Die Einführung des Stimmrechtsalters 16 muss deshalb auch als Chance für eine systematische Demokratieschulung unserer Jugendlichen genutzt werden. Wir wissen aus der Forschung: Die erste Wahl, an der ein junger Mensch teilnehmen darf, entscheidet massgeblich darüber, ob er oder sie sich auch längerfristig demokratisch beteiligt. Wenn wir Stimmrechtsalter 16 mit politischer Bildung verbinden, tun wir auch etwas gegen die laufend sinkende Stimmbeteiligung.
3. Stimmrechtsalter 16 bringt neue Impulse
Die 16- und 17-Jährigen sind interessiert daran, was mit ihnen und ihrer Welt passiert – und das für alle sicht- und hörbar. Dass sie uns richtiggehend vorführen, wenn es ums Adressieren der drängenden globalen Probleme geht, hat die Klimajugend nicht nur, aber auch in der Schweiz gezeigt. Klima ist aber nicht das Einzige, was bewegt: Am Frauenstreik im Juni 2019 war ich überwältigt von der Anzahl junger, ganz junger Frauen, die mitmarschierten.
Und was die Reife der Jungen angeht (mal abgesehen davon, dass man von älteren Stimmberechtigten auch keinen politischen Reifetest verlangt…): darüber müssen wir uns definitiv keine Gedanken machen. Die Top-Sorge der Jungen gemäss Jugendbarometer ist nämlich nicht der Klimawandel, sondern die Altersvorsorge. Sie wird von 47 Prozent aller Befragten als eines der fünf wichtigsten Probleme unseres Landes bezeichnet.
Wer so politisch engagiert und interessiert ist wie unsere 16- und 17-Jährigen, soll auch eine Stimme an der Urne haben. Auch die Zürcher Regierung steht hinter der Einführung des Stimmrechtsalters 16. Die ersten werden wir allerdings nicht sein. In Österreich, in einzelnen deutschen Bundesländern und auch im Kanton Glarus dürfen die Jungen bereits ab 16 abstimmen und wählen. Aber vielleicht sind wir doch noch schneller als der Bund.
Ich bin überzeugt: Die Jungen werden unseren demokratischen Entscheiden neue Impulse geben und damit die Demokratie stärken.
Und was meinen Sie?
Bild: Die erste Sitzung des Jugendparlaments des Kantons Zürich am 24. März 2018. (Quelle: privat)
Danke, liebe Jaqueline, für deine klaren Worte … ich unterstütze dieses Anliegen sehr!
Auch wenn schon manches mal “die Jungen” provozierten , haben sie doch schon so oft uns als Gesellschaft gezwungen, die Augen auf zu machen und endlich hinzusehen … und so wurde schon manche fruchtbare Diskussion angestossen. Ich denke da z.B. an 1:12 … (und anderes).
Und sie sollten unbedingt ab 16 aktiv mitgestalten können! … solange sie noch wollen!
Wer als Jugendliche zu sehr begrenzt wird (von den “immer-alles-besser-wissenden” Erfahrenen), verliert die Lust am Mitgestalten (wirkt sich direkt auf die Stimmbeteiligung aus).
Also: Super, weiter so! … und Danke!
Ich bin da nicht sicher ich zum Beispie hätte mit 16 wahrscheinlich noch SVP gewählt wegen dem kalten Krieg
Gruss
Werner