Bei den Bezahlzeitungen der TX-Group – zu denen zum Beispiel der Tages-Anzeiger gehört – geht jede fünfte Stelle verloren. Mit dem monumentalen Abbauprogramm schwächt der TX-Verleger nicht nur seine Produkte und deren Rolle in der demokratischen Auseinandersetzung. Er schwächt auch sich selber – indem er seinen Anspruch verspielt, ein ernsthafter Verleger zu sein.
Verleger:innen betonen oft und mit Nachdruck, dass sie nicht nur etwas Anderes, sondern etwas Besseres sind als die Besitzer:innen einer Konservendosenfabrik oder eines Veloverleihs.
Einer, der seine Rolle besonders vollmundig beschreibt, ist dabei der Verleger der TX-Group. «Freie und unabhängig Medien sind für eine Demokratie unerlässlich, vor allem für eine direkte Demokratie, wie wir sie in der Schweiz pflegen», schrieb Pietro Supino vor drei Jahren in «seinem» Tages-Anzeiger.
Medienunternehmen hätten deshalb «eine besondere Verantwortung». Und das bedeute: «Wir müssen einen strengen Massstab an unsere Arbeit ansetzen. Nur so sind wir glaubwürdig und können wir unsere zentrale Rolle in der Demokratie wahrnehmen.»
Etwas älter, nämlich 14-jährig, ist ein anderer Artikel Supinos mit dem Titel «Die Qualität unserer Presse». Auch dort betont er: «Medien spielen in unserer Gesellschaft eine wichtige Rolle.» Es sei deshalb zu begrüssen, dass über Fragen der Qualität debattiert werde.
Dann schreibt Supino einen bemerkenswerten Satz: «Für uns Verleger stellt sich die Frage, wie Qualität gesichert werden kann. So trivial es klingen mag: Die Basis bilden gute Journalistinnen und Journalisten. Voraussetzungen, um sie zu gewinnen, sind attraktive Medien, anständige Arbeitsbedingungen und Redaktionen, die mit angemessenen Ressourcen ausgestattet sind.»
Zynisch, satirisch
Ich weiss nicht, mit wie vielen Spar- und Abbauprogrammen Tamedia beziehungsweise die TX-Group seither ihre Redaktionen ausgehöhlt hat. Was ich hingegen weiss: Im Lichte der jüngsten Abbaurunde, welche die TX-Group bei ihren Bezahlzeitungen vollzieht, sind Supinos Beteuerungen wahlweise zynisch oder satirisch.
Der Abbau von 290 (von insgesamt 1400 Stellen) ist ein doppelter Affront: Erstens gegenüber den Mitarbeitenden, die seit Jahren Sparprogramm um Sparprogramm erdulden, die ihre Aufgaben mit immer weniger Ressourcen erfüllen müssen – und nun erneut vor der Ungewissheit stehen, ob sie ihre Arbeitsstelle behalten können.
Zweitens ist der Abbau ein Affront gegenüber der Gesellschaft, weil er zum Ausdruck bringt: Das ganze Gerede von der demokratischen Verantwortung, vom publizistischen Qualitätsanspruch, von anständigen Arbeitsbedingungen und angemessen ausgestatteten Redaktionen war blosse Kulissenschieberei.
Es geht der TX-Verlegerfamilie ausschliesslich ums Geld: maximaler Gewinn, maximale Rendite, maximale Dividende. Das zählt. Nur das.
Und das Schlimmste daran: Die Ertragsoptimierungs- und Sparpolitik ist nicht der ökonomischen Notwendigkeit geschuldet. Es ist nicht so, dass die TX-Group wirtschaftlich bedroht wäre, wenn weniger eingenommen beziehungsweise weniger gespart würde. Der Antrieb für die Unternehmenspolitik ist vielmehr Gier.
Die Gewinnmarge vervielfachen
Den Beleg dafür lieferte das Interview mit TX-Managerin Jessica Peppel-Schulz in der NZZ. Die Managerin – so jedenfalls mein Eindruck – brachte sogar die NZZ-Interviewer:innen zum Staunen.
Im Interview kam zum Ausdruck: Die TX-Group ist ein überaus erfolgreiches Unternehmen mit einem Umsatz von fast einer Milliarde Franken. Von den hochrentablen Unternehmenszweigen (etwa den diversen Online-Marktplätzen) fliesst aber nicht ein einziger Franken in den naturgemäss weniger rentablen Qualitätsjournalismus. Mehr noch: Der Bezahlzeitungsbereich muss nicht nur für sich selber schauen. Der Bereich muss zudem seine Gewinnmarge von aktuell zwei auf acht bis zehn Prozent erhöhen.
Diese Gewinnerwartung ist gemessen an den realistischen Ertragsmöglichkeiten des Journalismus schon beinahe Wucher.
Die reale TX-Unternehmenspolitik ist also das radikale Gegenteil dessen, was TX-Verleger Supino verkündet. Es geht nicht um verlegerische Ambition, sondern allein darum, den Ertrag immer weiter zu optimieren.
Entmutigend, ernüchternd
Dabei könnten sich Supino und sein Unternehmen problemlos eine Haltung leisten, die staatspolitisch und publizistisch verantwortungsbewusst wäre.
Sie könnten sich ohne weiteres sagen: Wir leisten uns aus Leidenschaft für die Publizistik und im Wissen um deren Bedeutung für die Demokratie einige Medien mit journalistischem Qualitätsanspruch. Wir gestatten diesen Medien, dass sie keine oder zumindest nur eine kleine Rendite erzielen müssen. Unter dem Strich würde die TX-Group immer noch satte Gewinne erzielen. Aber sie würde zusätzlich auch den Sonntagsreden gerecht werden, die ihr Verleger so gerne hält.
Indem das Unternehmen dies nicht tut, verspielt Supino seinen Anspruch, ein ernsthafter Verleger zu sein – einer, der für sich in Anspruch nehmen darf, sich seiner Verantwortung für dieses Land und seine Demokratie bewusst zu sein.
Der legendäre Suhrkamp-Verleger Siegfried Unseld hat einmal geschrieben: «Die Aufgabe des Verlegers: Mut machen.» Der TX-Verleger macht das Gegenteil: Er entmutigt. Er entmutigt seine Mitarbeitenden und er ernüchtert all jene, die immer noch gehofft haben, unseren Verleger:innen gehe es nicht nur ums eigene Bankkonto, sondern auch darum, einen Beitrag zum demokratischen Zusammenleben zu leisten.
Bild: Tagi, Zürichseezeitung und die weiteren TX-Bezahlmedien müssen ein weiteres, diesmal besonders umfangreiches Sparprogramm erdulden. (Quelle: PD)
Karin Landolt schrieb
Danke für diesen wertvollen Appell! Es ist leider möglich, dass vielen Menschen, nicht nur steinreichen Verleger:innen, die Wichtigkeit des Qualitätsjournalismus für Demokratie und gesellschaftlichen Zusammenhalt nicht bewusst ist. Noch nicht.
Karin Landolt,
Verwaltungsrätin Republik Online Magazin